Bring me to Life_Kapitel 26

**Kapitel 26**



Amy.)

RJ und ich rannten Shadow hinterher, während er einfach nur stur davonrauschte, als wäre er plötzlich taub geworden und könnte mich deshalb nicht rufen hören. Ich schnaubte und schaffte es irgendwie, nach einer Weile mit ihm Schritt zu halten.
„Wir müssen weiterhin vorsichtig bleiben…Was ist mit den Wachen am Ausgang der Stadt?!", versuchte ich zu ihm hindurchzudringen.
„Du kannst sie ja auch mit deinem Hammer über den Haufen nieten, wenn du willst…", meinte RJ schüchtern an seiner Stelle.
Ich seufzte.
„Jungs, ich meine es ernst…Wir haben schon viel zu viel Aufsehen erregt…"
Nervös sah ich mich nach allen Seiten um…beobachtete man uns? Sahen die Leute uns noch hinterher? Waren sie misstrauisch geworden? War unsere Tarnung im Eimer?

„Sieh an, und darauf kommt sie jetzt…", murrte Shadow grimmig.
Ich warf ihm einen leicht giftigen Blick zu.
„Wow…ich dachte schon du hast vergessen, wie man den Mund aufmacht!"
Er ließ sich nicht provozieren und meinte lediglich:
„…Die Roboter, die den Jungen angegriffen haben, müssen von irgendwoher gekommen sein…Das Militär hat seine Wachdrohnen nur rund um die Stadt HERUM aufgestellt…"

„…was bedeutet, dass es jetzt irgendwo eine Lücke in der Sperre geben muss…und wenn wir die finden…", überlegte ich seinen Gedankengang laut weiter.
„…können wir mit etwas Glück unbemerkt dort hindurchschlüpfen, korrekt", beendete er den Satz nach einer kurzen Schweigeminute schließlich.

„Und wie…wollen wir das schaffen?", meldete RJ sich aus dem Hintergrund.
Er hatte seinen Hund auf dem Arm und sah leicht ängstlich zwischen uns hin und her.
„Gebt mir etwas Zeit…", war Shadows simple Antwort.
Ich warf ihm einen skeptischen Seitenblick zu, sagte aber nichts weiter dazu.
Er würde schon wissen, was er tat….
Hoffentlich.

***

Shadow blieb an einer Ecke stehen und schloss die Augen…sein linkes Ohr zuckte zur Seite, das andere war gerade aufgestellt. Amy und RJ blieben hinter ihm und sahen sich kurz verwundert an.
Plötzlich riss er die Augen wieder auf und blinzelte, als wäre ihm gerade die Erleuchtung gekommen.
„Kommt her…keinen Mucks!"
Etwas zögerlich folgten sie seiner Aufforderung und stellten sich vor ihm auf.
Der dunkle Igel bedachte sie mit einem strengen Blick, einem nach dem anderen, ehe er langsam und mit viel Nachdruck betonte:" IHR DREI geht nun zum Rande der Stadt…Man wird euch vielleicht kontrollieren, aber ich denke, ihr kommt ohne größere Schwierigkeiten durch die Absperrung. Ich suche mir meinen eigenen Weg nach draußen. Alleine bin ich schneller und es ist sicherer für euch wenn ihr ohne meine Gesellschaft unterwegs seid. Wartet ein Stück weit weg vor der Stadt auf mich…"
Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu:
"…Sollte ich allerdings nach 40 Minuten nicht wieder bei euch sein, dann will ich, dass ihr beide zurück zu dem Motel geht und den anderen beiden Bescheid gebt. Dann werdet ihr nach Hause fahren und vergessen, was passiert ist… RJ, du gehst zurück ins Waisenhaus, oder tu, was auch immer dir beliebt. Und Amy…"
Er sah sie kurz an, schüttelte dann aber nur den Kopf und wandte sich zum Gehen. Es wäre ohnehin sinnlos, diesem Mädchen Ratschläge oder gar Befehle zu erteilen…
„WARTE!"
Amy hielt ihn am Arm fest, Fassungslosigkeit und Trotz spiegelten sich in ihrem Gesicht wieder.
„Was soll das?! Vor wenigen Sekunden hieß es noch, wir würden GEMEINSAM nach dieser Lücke in der Absperrung suchen, und nun willst du uns auf einmal aus heiterem Himmel dem Schicksal überlassen?! Und was soll die Schwarzseherei, von wegen 'Geht, lasst mich zurück, damit ich wieder in Ruhe den einsamen Helden spielen kann!' Pah!"
Sie schnaubte ungehalten, doch Shadow blieb gelassen.
„Nette Imitation, du wirst besser. Beruhige dich bitte, Amy… Es ist immer gut, sich mehrere Strategien zu überlegen und unter ihnen dann die Beste auszuwählen. Und ich bin zu der Auffassung gekommen, euch besser auf legale Weise hier raus zu bringen, denn nach dieser Lücke zu suchen würde viel zu viel Zeit und riskante Manöver in Anspruch nehmen, vor allem mit euch im Schlepptau… Wie gesagt, ich bin mir sicher, ihr werdet keinerlei Schwierigkeiten-"
„Ach, darum geht es doch überhaupt nicht!!!", unterbrach sie ihn und schüttelte energisch den Kopf.
Verwundert zog er eine Augenbraue nach oben.
„So? Worum dann?"
Sie biss sich auf die Unterlippe und kaute einen Augenblick lang darauf herum… anscheinend suchte sie nach den richtigen Worten.
„Ich…finde es einfach nicht richtig, wenn wir uns aufteilen…"
Shadow kommentierte das nur mit einem milden Lächeln.

„Keine Sorge… Ich kann auf mich aufpassen. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich zum Feind der gesamten Welt erklärt wurde…"
„Shadow-"
Das Mädchen klang nicht mehr ganz so scharf wie vorher… eher ein wenig besorgt. Dies sollte allerdings nicht lange anhalten.
„ Also dann, gebt gut auf euch Acht, ihr Drei."
Mit diesen Worten, und einem letzten undefinierbaren Blick zischte der schwarze Igel nämlich einfach davon.
„SHADOW!", brüllte Amy ihm nun wieder wütend nach, obwohl sie wusste, dass er ihr eigentlich verboten hatte, ihn in der Öffentlichkeit beim Namen zu nennen.
Doch es brachte nichts… er war bereits wie vom Erdboden verschluckt.
„SCHÖN!", zischte sie in die Richtung, in die er verschwunden war. „GEH DOCH, DU ALTER EGOIST!!"
Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, packte RJ am Ärmel und zerrte ihn mit.
„Komm, wir schaffen es auch ohne ihn sehr gut! Wir brauchen ihn nicht!"
„Aber Miss-"
„KEINE DISKUSSION! Wenn er machen will, dann soll er doch! MIR EGAL!"
Zu diesem Zeitpunkt war dem Igelmädchen noch nicht bewusst, wie sehr sie diese Worte später doch noch bereuen würde…

Shadow.)

Ich wartete, bis Amy den armen Jungen davongezerrt hatte. Von der Hausecke, etwas abseits der Hauptstraße, gut versteckt hinter ein paar Müllcontainern, hatte ich eine gute Sicht auf die Drei, wie sie Richtung Stadtgrenze verschwanden. Blieb nur zu hoffen, dass wenigstens sie es sicher zu Rouge und Manic schaffen würden…
Ich lehnte mich gegen die Wand und rückte etwas weiter in die Schatten der Häuser hinein.
Dann wartete ich. Zwei Minuten, fünf, irgendwann wurden daraus zehn…
Schließlich hörte ich sie dann kommen. Sie traten aus den Schatten weiter hinten zwischen ein paar Gebäuden hervor und kamen ohne große Umschweife auf mich zu. Da ich die Augen geschlossen hielt, konnte ich nur erahnen wie viele es waren. Drei, vielleicht Vier…oder auch mehr, was hieß das schon.

„Das ist der Kerl, Leute… Ich schätze mal, er dürfte euch nicht unbekannt sein."
Diese hämische Tonlage hatte ich erwartet. Mir hätte schon viel eher klar werden müssen, dass Rush es nicht bei einer Niederlage meinerseits belassen würde. Er wollte mich vernichtend geschlagen sehen… und das schaffte er nicht allein. Deswegen wohl die Verstärkung.
Im Grunde kein Problem, was wollten er und seine Möchtegernbösewicht MIR schon groß anhaben, jetzt wo er mir bereits den Emerald entwendet hatte…
Ich betrachtete die Sache bis zu diesem Zeitpunkt hin also relativ nüchtern.
Doch die nächste Stimme, die das Wort ohne Umschweife direkt an mich richtete, traf mich dann doch etwas unvorbereitet.

„Teh…Klar, wer kennt sie nicht, die ultimative…Lebensform. Oder nennen wir ihn lieber den ultimativen Außenseiter? Verstoßen von der Welt.  Bereit, uns hier abzulenken, damit seine Loser-Crew sich still und heimlich aus dem Staub machen kann, ohne überhaupt zu wissen, dass sie damit das Schicksal ihres Freundes besiegelt haben. Ach, wie herzergreifend…ich glaube, ich muss gleich kotzen."
Langsam öffnete ich die Augen und schaffte es mit Mühe, keinen Muskel zu verziehen, als ich dem Kerl, der mir gerade auf ziemlich unseriöse Art und Weise die Wahrheit ins Gesicht gedrückt hatte, direkt von Angesicht zu Angesicht stand.
„Scourge… ich gebe zu, das überrascht mich jetzt."

Der grüne Igel ließ sein typisches Grinsen aufblitzen, was seine unnatürlich spitzen Zähne zum Vorschein kommen ließ.
„Jaja, so bin ich. Erwarte immer das unerwartete von mir. Ist übrigens 'ne ganze Weile her, Stripes."
„Shadow, wenn ich bitten darf…", verbesserte ich ihn gelangweilt.
Seine eisblauen Augen blitzten mich an.
„Nein, wie überheblich du doch bist. Selbst deinem Untergang wirfst du noch ein paar verbissen emotionslos vorgetragene Sätze an den Kopf, die vor  Trockenheit schon fast zu Staub zerbröseln, ehe du dich dazu herablassen würdest, auch nur den kleinsten Funken Unsicherheit zu zeigen. Aber ich weiß, dass du bluffst. Dir ist bereits klar, dass wir dich schlagen werden, seit du Pinkie und deinem neuen 'Sidekick' oder wer auch immer der Bengel mit dem Köter ist, den Rücken zugewandt hast… Und du weißt auch, dass du dich nicht einmal gegen uns wehren wirst…Du kannst es nicht."
Unweigerlich entfuhr mir ein Schnauben.
„Ach, ist das so?"
„Aber ja doch!" Sein Grinsen wurde immer niederträchtiger, und schien auf seine drei Kumpanen abzufärben. Sie schienen genauso erpicht darauf zu sein, mich in den Boden zu stampfen, wie Scourge es offenbar war, vor allem Rush, der mich am allermordlustigsten beäugte.

Lässig lehnte sich Sonic's ehemaliger Billigabklatsch gegen einen Karton und polierte die noch intakten Gläser seiner Sonnenbrille, während er zu erklären begann:
„Solltest du gegen uns kämpfen und siegen, was wie ich unglücklicherweise gestehen muss gar nicht so abwegig wäre, werden wir nämlich wiederkommen…ich kann es überhaupt nicht gebrauchen, dass mir wer meine Rachepläne an Sonic versaut, weißt du."
„Ah…darum geht es dir also…", warf ich ein und erlaubte mir die Unverfrorenheit, ihm ein berechnendes Lächeln zuzuwerfen.
Seine Haltung wurde etwas steif, wovon sich ablesen ließ, dass ich ihn damit ein wenig provoziert hatte.

Langsamer und mit mehr Nachdruck setzte er an:
"…Ohja, wir werden wiederkommen. Und dann…besitze ich vielleicht nicht mehr die überaus großmütige Güte, deine lächerlichen kleinen Fans oder wie man diese Spinner nennen soll, laufen zu lassen. 'Team Shadow' wird vor deine Augen untergehen… entweder nur mit deinem Tod, oder noch zusätzlich mit der Vernichtung von all denen, die an deine ach so angezweifelte Unschuld glauben… Besonders Viele wären es ja ohnehin nicht."
Siegreich klatschte er in die Hände.
„…und deswegen, mein rotgestreifter Freund, wäre es besser, du würdest die Sache gleich hier enden lassen. Damit könntest du die Lebensspanne deiner niedlichen, kleinen Crew noch ein wenig hinauszögern. Denn seien wir ehrlich… sobald ich dich und diese blauen Spinner losgeworden bin, gibt es sowieso für niemanden mehr Hoffnung. Dann ist der 'King' nicht mehr zu bremsen, Baby."
Scourge lachte auf.

Ich biss die Zähne zusammen.
Er hatte Recht…verdammt nochmal, seine Drohung war ernst!
Wenn ich kämpfte, hätte ich diese Pfeifen in Null- Komma- Nichts erledigt… doch hatte ich Amy, Rouge und die anderen nicht schon genug in Gefahr gebracht? Hatte ich überhaupt eine andere Chance, meine Schuld bei ihnen zu begleichen, als die mein Leben für sie zu geben, bevor sie womöglich ihres für mich-? NEIN! Soweit würde es nicht kommen…nicht noch einmal…
Spätestens mit diesem letzten Gedankensprung stand mein Entschluss fest… wenn er dies nicht tatsächlich schon von Anfang an getan hatte.
Scourge schien der Wandel meiner Haltung nicht zu entgehen…man konnte es anhand des Triumphes sehen, der sich in seine von Vorfreude beinahe überschäumende, schadenfrohe Stimme mit hinein mischte.
„Oh ja, Shadow the Hedgehog, wir werden dich ein für alle Mal erledigen…Und zwar Hier und Jetzt!"