Clouded Sky_OneShot

„Ich verstehe dich nicht! Wieso kannst du dich nicht einfach freuen?!"
Leicht vorwurfsvoll schaute die zierliche Fuchshündin ihn aus ihren türkisen, leicht wässrigen Augen an. Ein wenig stockte ihr der Atem, als sie zur Antwort ein leises Grollen erhielt.
„Meinst du, ich hatte die Absicht, dir dasselbe anzutun wie Sabor meiner Mutter?!"
Morzan schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, ein Funkenhagel aus Zorn, Trauer und Selbstverachtung blitzte in seinen kohlschwarzen Augen auf...
Evangeline's Herzschlag beschleunigte sich für den Bruchteil einer Sekunde, als sie seinem Blick begegnete…dann ballt sie die Hände zu Fäusten und stampfte mit dem rechten Fuß auf: "Angetan?! Du tust so, als hätten du und dein Bruder ihr Leben zerstört...dabei liebt sie euch beide...und wirkt nicht im Geringsten unglücklich..."
Fassungslos über die Meinung, die er von seiner Mutter, seiner Familie…und vor allem sich selbst…hatte, konnte sie nichts als versuchen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, so wie sie es immer schon getan hatte, seit sie ihn und seine Lebensgeschichte kannte…
Morzan schnaubte sarkastisch und blickte auf die Seite: "Klar...sie versteht es auch, solche Dinge vor anderen zu verbergen...oder würdest du deinen Kindern unter die Nase reiben, dass sie das Schlimmste waren, was dir je passiert ist? Wenn sie es nicht irgendwann von selber merken..."
Er lachte kalt auf, doch es klang absolut humorlos, trocken…düster.
Angie legte ihm sacht eine Hand auf die Schulter und murmelt: "Wieso sagst du so etwas?"
Morzan biss die Zähne zusammen und zischte:"...weil es besser gewesen wäre, Sabor hätte sie damals einfach umgebracht, anstelle ihr eine Höllenbrut an den Hals zu hängen..."
Wie von der Tarantel gestochen zuckte Angie daraufhin vor ihm zurück…
Überrascht sah er, wie Schmerz und Unglauben ihre feinen Gesichtszüge verdunkelten, während sie mit gebrochener Stimme flüsterte:"...Dann wäre ich dir jetzt also auch lieber tot als-?"
Morzan unterbrach sie so eilig, dass der Satz unvollendet unheilvoll zwischen ihnen in der Luft hängen blieb: "WAS?! Nein! Ich-"
Der graue Wolfshund stockte und sah mit hängenden Ohren beschämt aus dem Fenster...dann murmelt er: "Ich will einfach nicht, dass ein unschuldiges Kind dasselbe Schicksal wie Rakos und mich ereilt...dass wir so abgerutscht sind...ist wohl zum Teil meine Schuld...unsere Mutter bringt es immer wieder fast um vor Kummer, wenn sie sieht, was aus meinem Bruder geworden ist...was aus mir geworden ist…"
Angie:"...Morzan-"
Er fuhr mit einer ruckartigen Bewegung zu ihr herum: „Und nun passiert DIR dasselbe wie ihr damals!"
Erneut ließ er die Faust auf den Tisch niedersausen, dessen dunkles Holz an der Kante beinahe ein wenig splittern zu drohte…danach stützte er sich mit beiden Ellenbogen darauf ab und verbarg das Gesicht in seinen Händen.
„Es tut mir Leid…ich bin einfach…Es erscheint mir so unvorstellbar…"
Sein Zorn war verraucht, der Ärger längst verblasst…nun war da nur noch Angst und Verwirrtheit.
Ein müdes Lächeln umspielte Angie's Mundwinkel, als sie sich zu Morzan nach vorne beugte und ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte.
„Vielleicht ist es besser, wenn ich für ein paar Tage zu meiner Mutter ziehe…dann können wir beide etwas Abstand gewinnen, die Situation klar überdenken, und dann, wenn wir das näcshte Mal darüber reden, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus…nicht so verregnet…"
Da von ihm keinerlei Protest kam, noch nicht einmal der leiseste Atemzug, war das Urteil damit wohl gefallen, und Evangeline machte sich mit einem resignierten Seufzen daran, ein paar Sachen zusammenzupacken, ehe sie wie ein unscheinbarer Schatten aus der Wohnung in den Regen hinaus verschwand.
Erst, als die Tür mit einem kaum hörbaren Klciken hinter ihr ins Schloss fiel, sah Morzan zum ersten Mal wieder auf, und starrte aus dem Fenster zu seiner Rechten.
Er hörte das Prasseln des Regens, den leise anspringenden Motor eines Autos, das Summen ders sich öffnenden Garagentores, und den unheilvollen Donnergroll in der Ferne.
Ihm war mehr als klar, dass er sie nicht einfach so hätte fahren lassen dürfen…es war nie gut, im Streit auseinanderzugehen.
Außerdem hasste er es, Angie mit dem Wissen, dass sie vermutlich gerade die Scheibenwischer des kleinen Minivans zu Tode quälte, alleine gelassen zu haben…Obwohl sie doch im Grunde genau wusste, dass diese nichts gegen den Tränenschleier, der ihr die Sicht so erschwerte, ausrichten konnten…nur gegen den unerbittlichen Regen, der gegen die Scheiben donnerte, und den wolkenverhangenen Himmel wie ein schlechtes Omen erscheinen ließ…
Dennoch war keinem der beiden bis dorthin klar, dass dies das letzte Gespräch sein sollte, das sie für eine lange Zeit miteinander führen würden…