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Kapitel 3:Unzaehmbar

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Shadowheart1996's avatar
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„Tja, Leute… War ja echt nett hier bei euch, aber ich muss langsam los. Es wird spät", sagte Sonic in die Stille hinein, stand auf und streckte mit einem Ächzen seinen Rücken durch.
„Du… gehst?"
Amy sah ihn leicht verunsichert an.
„Ich kann ja schlecht auf dem Teppich übernachten… Na ja, können schon, aber das machen meine Nerven nicht mit", grinste er.
Amy nickte und ließ den Kopf hängen.
„Das verstehe ich…"
Er umarmte sie zum Abschied und flüsterte ihr so leise, dass nur sie es hören konnte, ins Ohr:
„Keine Sorge, ich gehe nicht weit weg. Tails wohnt gleich um die Ecke. Ich glaube, der hat nichts dagegen, wenn ich eine Nacht bei ihm bleibe. Wenn irgendetwas sein sollte, bin ich schneller da als du zweimal blinzeln kannst."
Amy wollte ihm versichern, dass das nicht nötig wäre, doch sie erinnerte sich daran, wie besorgt er vorhin ihretwegen  gewirkt hatte, und drückte ihn stattdessen fest.
„Danke…"

Er hielt sie noch etwas länger als eigentlich notwendig fest, bevor er einen Schritt zurücktrat.
Shadow war aufgestanden.
Mit Sorge verfolgte Amy das kurze Blickduell der beiden, ehe Sonic sagte:
„Du weißt noch, was ich dir vorhin gesagt habe?"
Shadow nickte und verengte die Augen ein wenig.
„Ihr wird nichts passieren."
Sonic schnalzte mit der Zunge und zuckte mit den Schultern.
„Wäre auch besser so. Ich hab nämlich keine Lust, dir mehr als einmal am Tag in den Hintern zu treten."
„Ähhh, Juungs? Ich kann auch ganz gut auf mich selber aufpassen!", warf Amy dazwischen und kam nicht umhin, ein wenig beleidigt zu klingen.
„Na klar…", grinste Sonic.
„Wer` s glaubt.", fügte Shadow hinzu.

„Also dann, Leute. Wir sehen uns!"
Ehe Amy noch etwas sagen konnte, war Sonic auch schon aus dem Zimmer gehuscht und schwang sich mit einem übermütigen Satz über das Balkongeländer.
Shadow sah ihm kopfschüttelnd nach.
„Ich glaube, der Kerl hat noch nie in seinem Leben eine Tür benutzt. Aber warum einfach, wenn es auch umständlich geht."

„Soll ich dich zu dir nach Hause bringen oder willst du hier bleiben?", fragte er plötzlich.
„Na ja…"
Amy sah an sich herunter.
„Ich glaube kaum, dass ich mich so in der Öffentlichkeit blicken lassen könnte. Man weiß ja nie, wem man über den Weg läuft. Ich sehe aus wie jemand aus einem dieser Hollywoodmassaker!"
Sie deutete auf ihre blutbefleckten Klamotten und die an den Ärmeln zerrissene Bluse, die einst einmal blütenweiß gewesen war.
Shadow überflog kurz ihren Aufzug, für den Bruchteil einer Sekunde blieb sein Blick an ihrem Hals hängen, bevor er schließlich auf ihrem Gesicht ruhte.
„Das würde ein Problem darstellen."
„Also… ich würde vorschlagen, vorausgesetzt natürlich es macht dir  nichts aus…"
Shadow hatte seine Aufmerksamkeit bereits wieder auf etwas anderes gelenkt, als er ihr mit tonloser Stimme antwortete:
„Das Bad ist da hinten, falls du dir das Blut abwaschen möchtest.", und deutete mit einer flüchtigen Kopfbewegung auf die Tür den Gang entlang, direkt hinter der Küche.
Amy stutzte, dann nickte sie etwas hilflos angesichts seines passiven Verhaltens und ging an ihm vorbei.
Im Badezimmer schloss sie die Türe sorgfältig hinter sich und atmete erst einmal tief durch.
„Okay, Rose. Du bist alleine in der Wohnung eines Kerls… Eines blutsaugenden Kerls, wegen dem du dich möglicherweise ebenfalls in einen Blutsauger verwandeln könntest, und der laut deines Freundes, dem Helden von Mobius, der sich in einen mutierten Werehog verwandeln kann, wann immer es ihm passt, ein Killer ist, und dem du gerade dein Vertrauen gegeben hast…", flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu, dass in dem Licht viel zu blass aussah.
Sie kam sich vor wie in einem Hollywood- Teenager- Fantasyfilm, und das war eindeutig der falsche Film für sie…
„Alles okay… niiiicht durchdrehen. Es ist gut", redete sie sich selbst zu und seufzte tief, bevor sie sich daran machte, das Blut von ihrem Hals und Dekolletee zu waschen.
Nach kurzem Zögern spritzte sie sich auch etwas kaltes Wasser ins Gesicht und trocknete sich dann gründlich ab.
„Na bitte…", sagte sie zufrieden.
Die Bisswunde sah nur mehr wie zwei kleine, gerötete Stiche aus, und tat auch nicht mehr weh.
Mit den Fingern kämmte sie ihr Haar ein wenig, welches glücklicherweise einigermaßen verschont geblieben war.
Sie zog ihre blutigen Handschuhe und die Bluse aus, warf beides in eine Ecke unter dem Waschbecken und stellte erleichtert fest, dass das weiße Tanktop, das sie darunter trug, bis auf ein paar kleine Blutspritzer unversehrt geblieben war.
Sie strich ihren Rock glatt und schlüpfte aus ihren High Heels, die ihr schon länger wehgetan hatten, und legte sie zu dem Kleiderhaufen hinzu.

Dann ging sie nach einem letzten, prüfenden Blick in den Spiegel aus dem Bad und hüpfte aufgekratzt zurück in das Wohnzimmer.
„Mann, warum hast du mir nicht gesagt, wie schrecklich ich aussehe! Das ist ja schon direkt peinlich, so herumzulaufen. Also ernsthaft, zumindest eine kleine Bemerkung wäre schon ganz nett gewesen!", plapperte sie munter drauf los, verstummte allerdings sofort, als sie seinen viel zu ernsten, abwesenden Blick bemerkte.
Wie erwartet saß er wieder in seinem Sessel, ein halb gefülltes Glas in der Hand, und sah in den trüben Nachthimmel hinaus.
Stirnrunzelnd blieb ihr Blick an der Flüssigkeit des Glases hängen.
Das künstliche Licht der kleinen Stehlampe, die das Zimmer als einziges erhellte, brach sich darin und ließ sie schauerlich hellrot schimmern.
„Keine Sorge. Das ist nicht das, was du meinst", sagte er ohne sie anzusehen.
„Wie hast du…", setzte Amy an, ließ es dann allerdings doch sein und blieb etwas unschlüssig in der Tür stehen.
„Jetzt komm schon rein. Ich beiße nicht."
„Momentan vielleicht nicht…", murmelte Amy leise vor sich hin und ging langsam hinter ihm vorbei.
Nach einer Weile setzte sie sich mit einem Seufzen auf den Rand der Couch und wusste nicht so recht, was sie jetzt sagen hätte können, um die Lage zu entspannen.
Und als sie schließlich etwas sagte, war es eindeutig das Falsche…

„Kann es sein, dass Blut nicht das Einzige ist, das du gerne trinkst?"
Sie rümpfte kaum merklich die Nase.
„Kann es sein, dass du zu viel fragst."
„Ich wollte doch nur…"
„Das ist mir klar.", knurrte er.
Sie zuckte vor seinem scharfen Ton zurück.
„Was hab ich bitte gemacht, dass du mich jetzt so anfauchst?", rief sie leicht gekränkt.
„Mal sehen… du hast mich einen arroganten, selbstgefälligen, was nebenbei bemerkt immer noch das gleiche bedeutet, respektlosen, distanzierten Idioten genannt, mich mit einem Kissen geschlagen, in zwei Kämpfe hintereinander verwickelt,  und bist schuld daran, dass mir der Schädel dröhnt… Habe ich was vergessen?", gab er ungehalten zurück, ohne auf ihren Tonfall einzugehen.
„Und deswegen fauchst du mich JETZT an?!"
Amy kam nicht umhin, zu schreien.
Sie verstand einfach nicht, warum er auf einmal so schlecht gelaunt war, vor allem nicht nach dem, was sie vorhin getan hatte.
Und die Tatsache, dass sie ihm ihr Vertrauen gegeben und somit Sonic` s Warnungen in den Wind geschlagen hatte, wäre wohl Anlass genug, dass er sich wenigstens ein wenig freundlicher ihr gegenüber benahm.
Die ganze Zeit über hätte er sich beschweren können und es dennoch nicht getan, und auf einmal…

„Hör zu. Wenn das hier funktionieren soll, müssen wir es irgendwie schaffen, uns nicht wegen jeder Kleinigkeit an die Gurgel zu springen.", sagte sie und versuchte, versöhnlich zu klingen.
Streiten brachte ihnen weniger als gar nichts.
„Wer sagt denn, dass ich das will", kam die eisige Antwort.

Amy zuckte zusammen und kam nicht umhin, ihn vorwurfsvoll anzublicken.
Auch wenn sie ihn gewissermaßen verstehen konnte, hatte die Härte seiner Wortwahl sie doch ein wenig verletzt.
Shadow` s Miene zeigte keinerlei Anzeichen von Reue oder Versöhnlichkeit, der Blick, mit dem er sie bedachte, war seltsam leer und gleichgültig.

Sie wich ihm aus und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie seine plötzliche Feindseligkeit wirklich kränkte.

Er schien es zwar dennoch zu bemerken, schnaubte allerdings bloß und versuchte nicht einmal, sich zu entschuldigen.
Vermutlich war es seiner Meinung nach auch gar nicht nötig.
„Gar nicht so leicht, mir zu vertrauen, wie?", fragte er, seine Stimme troff nur so vor Sarkasmus.
Verwirrt und verunsichert starrte Amy auf ihre Zehenspitzen und fragte sich, warum er sie jetzt so niedermachte.
Was hatte sie ihm denn getan?

„Tja, tut mir Leid für dich.
Aber wir können ja nicht alle so lieb und scheinheilig wie dein selbstloser Held sein", fuhr er fort.
„Wag es ja nicht, Sonic da mit hineinzuziehen!", schrie sie auf und funkelte ihn wütend an.
Ganz egal, wie einschüchternd er sein konnte, wenn er es wagte, einen ihrer Freunde niederzumachen, hörte bei ihr alle Freundlichkeit auf.
„Na so was, du kannst dich also doch noch wehren. Dachte schon, du hättest die Sprache verloren", erwiderte er unbeeindruckt.
„Was ist los, keine Lust, dem Idioten die Meinung zu sagen? Mach schon, wenn du dich traust", zischte er herausfordernd.

Da verstand Amy langsam, was er mit alle dem bezweckte.
„Na schön Shadow, wenn du Streit willst, dann kannst du ihn gerne haben", dachte sie und spürte Zorn in sich aufsteigen.
„Dachte ich mir doch, dass du dich nicht traust. Ihr Sterblichen seid alle gleich.
Zu ängstlich, um sich dem Übernatürlichen zu stellen.
Zu schwach, um auch nur eine Minute dagegen anzukommen.
Zu naiv, um seine Präsenz auch nur zu erahnen."
  
Amy hatte noch nie in ihrem Leben jemanden geohrfeigt.
Sie hatte Streit immer gemieden, weil sie es hasste, auf jemanden böse zu sein.
Doch Shadow` s Arroganz und sein aggressives Dominanzverhalten trieb sie so sehr zur Weißglut, dass sie aufsprang, ihre Hand nach vor schoss und mit aller Wucht, die sie aufbrachte, gegen sein Gesicht klatschte und dort einen rötlichen Abdruck ihrer Finger hinterließ.
Kaum wurde ihr bewusst, was sie gerade gemacht hatte, bereute sie es auch schon, und starrte entsetzt auf ihre zitternde Hand. Ihr Handgelenk schmerzte von dem Aufprall.
Shadow` s Kopf war zur Seite geschnappt, doch mehr als ein überraschtes Zusammenzucken konnte der Schlag ihm nicht entlocken.
Er straffte die Schultern und rieb sich das Kinn.

„Shadow…"
Sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte.
„Ohhh, was habe ich da nur wieder angestellt", dachte sie voll Reue.

*Aber er hat es doch provoziert. Das hat er nun davon,* flüsterte ihr eine innere Stimme zu.
**Aber du hättest ihn nicht gleich schlagen müssen,** gab eine andere zu bedenken, vermutlich ihr Gewissen.
Sie ignorierte den inneren Konflikt, zog langsam ihre Hand zurück und ließ sie schlaff nach unten hängen.

Besorgt blieb Amy` s Blick an dem Glas hängen, dass Shadow noch immer in der Hand hielt. Er hielt es so fest, dass die Flüssigkeit darin zitterte.

„Warum hast du mich das tun lassen?", flüsterte sie leise.
Er stieß nur einen verächtlichen Laut aus, eine Antwort aber blieb er ihr schuldig.
„Was ist los?", murmelte sie.
„Was los ist? Ich hab es satt. Deine Vorwürfe, Faker` s Anschuldigen, von denen er dir ja ausführlichst erzählt hat wie ich annehme, und dass ich an dir fest hänge, bloß wegen irgendeinem verdammten, paranoiden Hirngespinst deinerseits, das mich weder interessiert noch dass ich es nötig hätte."

Das Glas zersprang klirrend, zerdrückt durch die unbändige Kraft, die drohte, außer Kontrolle zu geraten.
Wein tropfte seine Hand hinunter auf den Boden und färbte seine weißen Handschuhe langsam blutrot.
Scherben rieselten zu Boden, kleine Splitter waren als einziges von dem Glas übrig geblieben, zermalmt von seinem zitternden Griff.
Mit schreckgeweiteten Augen sah Amy ihn an, den Mund halb geöffnet, doch unfähig, auch nur einen Ton herauszubekommen.

Sein Blick flackerte kurz zwischen Verzweiflung, Wut und auch einer Spur Wahnsinn hin und her, ehe er schließlich aufsprang, blindlings die Terrasse hinausstürzte und sich, wie vorhin Sonic, einfach über das Geländer nach unten in die Tiefe schwang.

Amy hatte den Blick starr auf die Stelle gerichtet, an der er verschwunden war,  verwirrt, sprachlos, und auch noch ein wenig wütend.

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7.) Shadow

Ich hatte kein klares Ziel vor Augen.
Das einzige, das ich wusste, war, dass ich mich irgendwie abreagieren musste, ansonsten würde ich noch durchdrehen.
Und die Ultimate Lifeform verliert nie, niemals die Kontrolle über sich selbst.
Diesen Satz wiederholte ich immer wieder, redete mir selbst gut zu, und versuchte gleichzeitig jegliche andere Gedanken auszublenden, was mir nach dieser Aktion nicht sonderlich schwer fiel.
Auch wenn Faker mich dafür vermutlich lynchen würde, war ich froh, dass ich abgehaut war, auch wenn es mich ärgerte, dass ICH den Rückzug hatte einziehen müssen, und dass aus MEINER eigenen Wohnung.
Die langsam aufsteigende Wut in mir nahm wiederum zu, und ich schluckte den Kloß in meinem Hals nach unten, ohne bewusst auch nur einen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden. Mein Unterbewusstsein schien davon allerdings nicht viel zu halten, und entwickelte seinen eigenen Willen, indem es mich ungewollt immer wieder an alles, was ich zu ihr gesagt hatte, erinnerte.
Ich knurrte ungehalten und schüttelte diese ungeliebten Erinnerungen so gut es ging jedes Mal aufs Neue ab, ohne näher darauf einzugehen.
Auch wenn einiges davon nicht gerade rücksichtsvoll ausgedrückt gewesen war, entsprach es nur der Wahrheit. Ich hatte keinerlei Verwendung für unnötige Höflichkeiten.
Ich wollte das alles nicht.
Es interessierte mich nicht.
Wie von selbst stießen meine Beine sich vom Boden ab und sprangen die Wände von zwei Hochhäusern hinauf, die wie unheilvolle Festungen aus dem Boden ragten.
Oben angekommen, schnappte ich keuchend nach Atem.
Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so schnell gerannt war.
Noch immer tobte die Wut in mir, auch wenn sie sich langsam mit einem Anflug von Verzweiflung vermischte.
Vielleicht war ich ja auch nur gerade dabei, den Verstand zu verlieren.

„Beherrsch dich, verdammt noch mal!", fauchte ich mich selbst an.
Selbstkontrolle war mir immer so leicht gefallen.
Wie konnte es sein, dass ein naives, kleines Mädchen wie Amy, eine einfache Sterbliche, mich so sehr aus der Fassung bringen konnte.

„Aber sie war vermutlich die einzige, die dir seit langem vertraut hat. Und jetzt hast du es vernichtet", wisperte mir eine leise, innere Stimme zu.
Ich war überrascht, dass ich so etwas überhaupt noch empfinden konnte.
Reue.
Ein Gewissen.
Das war vermutlich der Punkt, an dem mein Verstand sich endgültig verabschiedete.

„Ich. Brauche. Niemanden!", schrie ich mit aller Kraft, die ich hatte, in den düsteren Nachthimmel hinein, ohne mich darum zu kümmern, ob mich jemand hören könnte.
Und beinahe hätte ich selbst durch all diese blinde, sinnlose Raserei hindurch schwören können, dass der Boden unter meinen Füßen zusammen mit dem Rest der Stadt erzitterte, als das fauchende Echo meiner Stimme bis zum Horizont hin widerhallte.

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8.) Amy

Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, begann mein Gehirn so langsam jedes einzelne seiner Worte zum ersten Mal RICHTIG zu analisieren.
Und das Ergebnis war alles andere als nett.

„Wie kann er es wagen, sich so zu benehmen und mich dann einfach hier sitzen zu lassen!", schimpfte ich laut und ging immer wieder im Zimmer auf und ab.
Dabei stampfte ich absichtlich besonders laut auf.
Vielleicht weckte ich ja die Leute in den unteren Wohnungen auf und trieb sie so zur Weißglut, dass sie sich ordentlich beschwerten.
„Würde diesem Mistkerl nur Recht geschehen", murmelte ich finster.
Aufgewühlt und gekränkt versuchte ich trotz meiner Wut auf ihn immer noch zu verstehen, was ich angestellt hatte, dass ihn mit einem Male, von einem Augenblick auf den anderen, scheinbar grundlos so aggressiv mir gegenüber geworden war.
„Vielleicht lag es ja nicht nur an mir…", überlegte ich laut.
Nach dem heutigen Tag wäre ihr an seiner Stelle vermutlich auch irgendwann der Kragen geplatzt…
„Aber wieso war er so gemein zu mir…", flüsterte ich und blieb stehen.
Unbewusst legte ich eine Hand auf meine Brust und konzentrierte mich auf meinen Herzschlag.
Da kam mir ein Gedanke.
Ich hatte es schon lange nicht ausprobiert, daher war ich mir nicht sicher, ob es noch funktionierte.
Meine Augen schlossen sich wie von selbst, alles in mir konzentrierte sich nur darauf, irgendwie aus seinem Verhalten schlau zu werden.
Und plötzlich, ganz schwach, spürte ich so etwas wie eine fremde Präsenz in meinen Gedanken, die gleichzeitig etwas Vertrautes an sich hatte.
Ich versuchte, daran festzuhalten, und kam mir gleichzeitig ziemlich paranoid vor.
Aber für Zweifel war jetzt nicht der richtige Augenblick…

Das Gefühl wurde abwechselnd stärker und schwächer, mal kam es mir zum greifen nahe vor, und dann wieder unendlich fern.
Langsam bekam ich ein Gespür dafür, wie ich es festhalten konnte, und konzentrierte mich voll und ganz darauf.

Und dann veränderte sich etwas.
Die Präsenz wandelte sich, formte sich zu einem Bild, zuerst unscharf, dann immer klarer. Es zeigte einen Stadtteil von Central City, nahe dem Zentrum.
Ich zitterte leicht vor Anspannung und erschrak umso mehr, als ich plötzlich ein ungehaltenes Knurren in meinem Kopf hörte.
Erschrocken zuckte ich zurück und hätte die Verbindung beinahe angebrochen.
„Shadow?", dachte ich leise.
Dieses missmutige Knurren würde ich überall herauskennen.

„Raus aus meinem Kopf!", kam die prompte Antwort.
Vor Schreck rutschte mir beinahe das Herz in die Hose.
Ich hatte es geschafft!
„Ist ja abgefahren!", dachte ich verblüfft.
„Eher nervig. Wie hast du das angestellt?", zischte er.
„Ich bin von Natur aus Recht intuitiv veranlagt. Und gelegentlich schaffe ich es auch, mich in die Gedanken anderer einzuschleusen. Etwas abnormal, ich wie, aber durchaus praktisch…", gab ich zurück und musste grinsen.

Neugierig geworden, kniff ich die Augen fester zusammen und konzentrierte mich ganz auf seine Gedanken.
Zuerst noch vorsichtig, dann immer mutiger, versuchte ich irgendwie in sein Unterbewusstsein zu gelangen, in der Hoffnung dort eine Antwort auf alle meine Fragen zu bekommen.
Dabei stieß ich mehr zufällig auf einen Schwachpunkt, und taumelte erschrocken zurück, als das wilde Chaos aus Wut, Verachtung, Wahnsinn und was sonst noch alles in ihm tobte, in Bruchstücken auf mich einstürzte.
„Lass das!", fauchte er mich an.
Ich spürte, dass er zusammenzuckte, und hätte beinahe schwören können vor meinem geistigen Auge zu sehen, wie er missmutig das Gesicht verzog.
Ich kicherte und freute mich darüber, ihm hiermit eins auswischen zu können.
„Mit mir legt man sich eben nicht an", triumphierte ich innerlich.
„Wollen wir wetten?", gab er boshaft zurück.

Und dann war die Verbindung weg.
Verwirrt versuchte ich, sie wieder herzustellen, stieß dabei aber nur auf eine Art geistige Barriere, die er wohl um sich aufgebaut haben musste.
„Alter Spielverderber!", rief ich und öffnete seufzend die Augen.
„Das war vielleicht schräg", murmelte ich mir selbst zu.
Vermutlich hätte mir diese seltsame Gedankenübertragung wohl Angst machen müssen, da diese Gabe nach all den Jahren immer noch so tadellos funktionierte, doch im Gegenteil steigerte sie meine Neugier nur noch mehr, und ich ärgerte mich darüber, dass er mir anscheinend auch in dieser Hinsicht einen Schritt voraus war.
„Warte nur, Shadow the Hedgehog … Du kannst vielleicht was erleben, wenn du zurückkommst!"

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Ohne jegliche Art von Rücksicht schlug Shadow dem Mädchen die Zähne in den Hals und nahm ihr mit einem gezielten Schlag in den Nacken das Bewusstsein, bevor sie überhaupt wusste, wie ihr geschah.
Normalerweise ging er dabei nicht ganz so rüde vor, doch Amy trieb ihn so sehr zur Weißglut, dass er jegliche Taktik vergaß.


Nachdem er ein paar Schlucke genommen hatte, stoppte er die Blutung, verhüllte mit ihren langen, dunklen Locken das Haar und überließ das bewusstlose Katzenmädchen ihrem Schicksal.
In der Dunkelheit der Bar hatte diese kleine Szene so und so niemand bemerkt, und wenn er sich früh genug aus dem Staub machte, würde dies so schnell auch nicht passieren.

Das Blut verfehlte seine Wirkung nicht.
Die Kleine hatte zusätzlich einen leichten Rausch gehabt, den sie durch ihr Blut gewissermaßen an ihn weitergegeben hatte.


Die Wut ließ langsam nach, genau wie sein vernünftig denkender Verstand, oder zumindest der Rest, den er mit Mühe noch behalten hatte können.
Es war im egal.
Kein Verstand bedeute keine unangenehmen Erinnerungen, was ihm nur Recht war.
Das Raubtier in ihm freute sich über den Überschuss an Blut und jubilierte über die Befriedigung seines Jagdinstinkts.

Das schlechte Gewissen hielt sich deutlich in Grenzen, auch wenn er das unbestimmte Gefühl hatte, etwas fehlte.
Auch wenn das Blut wie immer schmeckte, so  machte es deutlich weniger Spaß als sonst, sich welches zu besorgen.
Es war, als würde man gewöhnlichen Alkohol trinken.
Dieselbe Wirkung, nur mit deutlich weniger Anreiz auf mehr.
Während er darüber nachdachte, was wohl Schuld daran sei, schweifte sein Blick unbewusst umher, auf der Suche nach neuen „Opfern".

Etwas zog ihn unbewusst Richtung Stadtrand, denn als er sich nach ein paar Minuten rennen wiederum umsah, hatte er das Zentrum weit hinter sich gelassen.
Er kannte diese Gegend.
Hier, vor ungefähr einem Jahr, hatte alles angefangen.
Die Blutgier, der Ärger mit Sonic, einfach alles.
Auch wenn er spürte, dass es besser wäre, er würde nicht hier sein, hielt er dennoch an und kniff die Augen zusammen.
Etwas stimmte hier nicht.

Es war viel zu ruhig.
Normalerweise wimmelte es in dieser Gegend um diese Zeit nur so von Ratten, Fledermäusen und anderem, verdrecktem Getier.

„Welch Ironie des Schicksals…"
Shadow fuhr wie von der Tarantel gestochen herum, ballte die Hände zu Fäusten und wartete in geduckter Haltung auf einen möglichen Angriff.
Eine dunkle Gestalt löste sich aus den Schatten des Hochhauses und schlenderte absurd gelassen auf ihn zu.
Er grollte leise und sammelte seine Kräfte.
„Aber, aber… Wer wird denn so nachtragend sein…", fuhr der Schatten fort, die leichte Belustigung in seiner Stimme machte es Shadow nicht gerade leichter, sein Temperament in Zaum zu halten.

„Immer noch so voller Groll gegen deinen alten Freund?"
„Was willst du, Zorak?", knurrte Shadow.
Die Gestalt trat ins Licht des Neumondes und sah ihn lange Zeit an.
Seine gelben Dämonenaugen glitzerten in der Dunkelheit und bildeten einen seltsamen Kontrast zu seinem dunkelgrauen Fell.
Auf den ersten Blick könnte man ihn für einen struppigen Wolfshund halten, doch der Schein trog.
Er lächelte und zeigte dabei seine  dolchartigen, spitzen Eckzähne.
Sein Schweif peitschte auf den Boden.
„Ich wurde mal sagen, dieses markerschütternde Gebrüll stammte von dir", sagte er und hob süffisant eine Augenbraue.
Shadow schnaubte.

„ Nun, wie auch immer. Ich schätze, heute Nacht verfolgen wir dasselbe Ziel. Allerdings scheinst du mehr Erfolg als ich zu haben. Beeindruckend."
„Tja, was soll ich sagen. Ich lerne schnell."
Es tat gut seine Wut an jemandem auszulassen, der es wirklich verdiente.
„Immer noch derselbe wie vor einem Jahr.
Auch wenn du deine Arroganz zügeln solltest. Sie könnte dir zum Verhängnis werden."
Die leere Drohung hing schwer zwischen den beiden in der Luft.
„Gleichfalls", war Shadow` s knappe Antwort.

Zorak` s Augen funkelten amüsiert.
„Ich würde mich ja gerne weiterhin mit dir unterhalten, aber ich habe noch etwas zu erledigen.", sagte er und polierte seine Krallen am Saum seines aufgeknöpften, violetten Hemdes, das an einer Seite nachlässig aus seiner schwarzen Hose hing.
Er trug keine Schuhe.
Seine Pfoten, die viel zu groß für einen gewöhnlichen Wolf wirkten, scharrten auf dem Boden und hinterließen dort mehrere Kratzspuren.
„Ach nein", gab Shadow mit gespieltem Bedauern zurück.
Zorak legte den Kopf schief.
„Ich muss schon sagen… Du hast keinen schlechten Geschmack was Blut angeht.
Pech nur, dass sie so widerspenstig ist, nicht wahr?
Aber es war ein deutlicher Fehler von dir, die Kleine alleine zu lassen. Wer weiß, wer aller an die Tür klopfen könnte…"
Shadow` s Herz setzte einen Moment lang aus.
„Wie hat er das herausbekommen?", schoss es ihm durch den Kopf.
Er wischte ärgerlich die aufsteigende Sorge in sich beiseite und starrte Zorak finster an.
„Das wagst du nicht…", knurrte er.
„Ich meine ja nur… sie ist ein außergewöhnliches kleines Ding. Sehr intuitiv. Sie würde eine interessante Unsterbliche abgeben.", murmelte er und leckte sich über die spitzen Zähne.
„Ich warne dich nur ein einziges Mal, Zorak."
Shadow bemühte sich, ruhig zu klingen, um seiner Drohung mehr Nachdruck zu verleihen, obwohl er innerlich kochte.
Am liebsten wäre er Zorak sofort an die Kehle gesprungen, doch das wäre strategisch nicht gerade vorteilhaft gewesen.
„Abwarten und die Lage einschätzen", dachte er angespannt.

Der Wolf hob abwehrend die Hände.
„Na gut, na gut. Ich konnte ja nicht ahnen, dass diese jämmerliche Sterbliche dir so viel bedeutet…", murmelte er mit einem verhaltenem Grinsen.
Shadow schnaubte verächtlich.
„Pah. Rede keinen Unsinn. Ich habe nur keine Lust, mir diese Stadt mit einem weiteren Blutsauger wie dir teilen zu müssen. Außerdem würdest du dir an ihr bloß die Zähne ausbeißen."
Zorak` s Mundwinkel zuckten.
„Du musst es ja wissen, mein paranoider Freund."
„Hmpf…"

Damit sollte das Thema eigentlich beendet sein, doch Zorak machte keinerlei Anstalten, abzuhauen.
Er blieb ruhig stehen und betrachtete sein Gegenüber nachdenklich.
„Es war nicht so klug von dir, dich in MEIN Territorium hineinzuwagen. Das war sogar überraschend leichtsinnig von dir. Ein erfahrener Kämpfer wie du sollte eigentlich wissen, welches Risiko er eingehen kann, nicht wahr?"
Shadow kniff die Augen zusammen und reckte das Kinn in die Höhe.
„Denkst du, das schüchtert MICH ein?"

Einen Augenblick lang blitzte Zorn in den Augen des Vampirs auf, doch er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle.
„Oh, wie es scheint vergaß ich, mit wem ich es hier zu tun habe."
Er salutierte übertrieben und machte einen albernen Hofknicks.
„Verzeiht mir meine Unhöflichkeit, "General" Shadow the Hedgehog", sagte er und bog sich vor lachen.
„Sehr witzig…", murmelte Shadow.
Na großartig…
Wenn einem nicht einmal seine Feinde mehr ernst nahmen, wurde es echt traurig…
„Wann bin ich so tief gesunken?", fragte er sich in Gedanken.

Zorak wurde mit einem Male wieder ernst und sah ihn kalt an.
„So, genug der Freundlichkeiten. Ich habe, wie bereits gesagt, noch Wichtigeres zu erledigen. Und mir scheint, dir hat schon eine Weile niemand mehr eine RICHTIGE Lektion erteilt."
Shadow wollte den Mund öffnen, um zu widersprechen, doch soweit kam er erst gar nicht mehr.
Er schaffte es gerade noch, Zorak` s Zähnen, die auf seine Kehle gezielt hatten, mit einem flinken Salto rückwärts auszuweichen, und setzte ohne mit der Wimper zu zucken zu einem Gegenangriff an.
Die beiden prallten in der Mitte der Straße zusammen und gingen mit allem, was sie zu bieten hatten, aufeinander los.
Shadow stemmte sein ganzes Gewicht gegen den knurrenden Wolf, der ununterbrochen nach ihm zu schnappen versuchte.
Auch wenn Shadow die Erfahrung der vielen Schlachten zugute kam, hatte sein Gegner ihm mehrere Jahrhunderte Vorsprung, was seine Erfahrenheit und Kampftechnik anging.
So musste Shadow öfters als nur dieses eine Mal dem tödlichen Biss dessen Zähne entkommen, die sich wild knurrend in sein empfindliches Nackenfell bohren wollten.
Als Zorak es irgendwie schaffte, ihn gegen die Wand zu drücken, um mit einem triumphierenden Grollen seine Zähne in sein Fell zu schlagen, war Shadow` s letzte Rettung seine schnellen Reflexe.
Er packte das aufgerissene Maul seines Gegners an beiden Kiefern, als dieses auf seine Kehle zuschoss, kurz bevor Zorak zuschnappen konnte, und drückte ihn mit ganzer Kraft nach hinten.
Zorak` s Krallen bohrten sich in seinen linken Oberschenkel und hinterließen blutige Kratzer auf seiner Brust.
Schließlich schaffte er es irgendwie, den Wolf von sich weg zu schleudern und entkam knapp dem tödlichen Biss.
Es war ein erbitterter Kampf, gegen den ihm die kleinen Raufereien gegen Sonic und die Konfontration mit den beiden schmierigen Banditen  lächerlich unbedeutend und leicht wirkten.
Die schwache Beleuchtung der Straße warf die Schatten der beiden Kämpfenden bedrohlich groß an die Wände und tauchte deren Gesichter in ein schauriges Dämmerlicht.
Dunkle Wolken verdüsterten den Himmel, in der Ferne grollte der Donner.
Einzelne Blitze zuckten am Horizont über den Himmel, so als wolle die Natur ihren Beitrag zu diesem Kampf der Giganten leisten und der Welt ihre eigene Kraft und Unerbittlichkeit in einem tosenden Unwetter, das die Menschen und Tiere erzittern ließ, offenbaren.
Shadow` s verletzter Arm hinderte ihn nicht daran, einige erfolgreiche Tritte und Schläge zu landen, war allerdings auch ein beliebtes Ziel für die Krallen und Zähne seines Feindes, die ihr Ziel nach mehreren Fehlschlägen schließlich doch trafen.
Shadow` s darauf folgender Aufschrei hallte in der gesamten Stadt im Gleichklang mit einem ohrenbetäubenden Donnerschlag wieder und endete in einem wilden Knurren, dass die Mauern der umstehenden Häuser zum Beben brachte und in den leeren Gassen ein lang anhaltendes Echo von sich gab, dass die Geschöpfe der Nacht endgültig verstummen ließ und sich selbst der blutrünstigste Straßenköter jaulend vor Angst hinter einem alten, morschen Fass verkroch.
Part 1:
[link]

Part 2:
[link]

Part 4:
[link]

Part 5:
[link]

Zwei Kapitel noch, dann ist erst einmal wieder Pause für eine Weile ;)
Am sechsten schreibe ich nämlich noch ^^
© 2011 - 2024 Shadowheart1996
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